Nick Cave Solo Show. Dresden 22. November 2006

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Alles kommt wieder. Bärte und lange Haare, zum Beispiel. Mittlerweile hat sich sogar herumgesprochen, dass es ein Folkrevival gibt. Nick Cave hat vergangene Woche in der Lichterstadt Dresden ein unglaubliches Solokonzert gegeben.

Sage mir, wo du auftrittst, und ich sage dir, wer du bist. Reichlich vierzig Jahre alt ist der Kulturpalast Dresden. Nick Cave, Warren Ellis, Martyn P. Casey und Jim Sclavunos sind vier nicht mehr ganz junge Herren, die niemanden mehr etwas beweisen müssen. Sie sind frei genug, ein in Jahrzehnten gewachsenes Repertoire neu zu interpretieren, mutig genug, ihr Publikum zu überraschen. Punk, Blues, Gospel, Jazz, Folk – Kategorien, nichts als Kategorien sind es. Viel wichtiger ist: Geben sie ein ordentliches Geräusch her? Sie tun es.

Es ist laut. So laut, als sollte ein Ton genügen, die Welt da draußen vergessen zu machen, ihr Gewicht aufzuheben. Es ist leise. So leise, dass man sich konzentrieren muss, um die Dynamik dessen, was da auf der Bühne geschieht, würdigen zu können. Es beginnt buchstäblich mit einem Paukenschlag und endet in Schönheit. Dazwischen gibt es alles, was von einem Nick Cave – Konzert erwartet wird. Drama, Theatralik, Scherz, Ironie und tiefere Bedeutung. Nur, etwas ist anders. Mehr als etwas. Minimalistisch klingt sie, die exzellente Besetzung an Piano, Geige, Bouzouki, Gitarre und Schlagzeug. Dabei rau und kantig, reduziert und umso energetischer. Balladen wie West Country Girl werden zu Orgien voller Rhythmus und Lärm, ausgerechnet Caves Überklassiker, The Mercy Seat, kommt in einer geradezu leichten, psychedelischen Version daher. Ebenso Rock Of Gibraltar vom sträflich übersehenen Nocturama (2003). Sie gehen weit zurück in ihren Katalog. Für Tupelo, den John Lee Hooker und Elvis Presley huldigenden Talking Blues auf The Firstborn Is Dead (1985), greift Cave selber zur Gitarre. Wie auch bei Wanted Man, aus Bob Dylans Feder und von Johnny Cash auf At San Quentin (1969) verewigt. Ehret die Altvorderen, ohne sie wäre Rock als Kunst (um das schreckliche Wort zu gebrauchen) nicht denkbar.

Niemand würde abstreiten wollen, dass Nick Cave mittlerweile selber eine Legende geworden ist. Eine voller Humor und Witz, das sei endlich gesagt. Seit nunmehr sicherlich zwanzig Jahren wird der Christ und Dandy als dunkler Barde, Fürst der Finsternis und dergleichen mehr beschrieben. Elemente, die alle vorhanden sind. Dabei gibt er launige Kommentare ab, freut sich sichtbar, als den Musikern ein Strauß roter Rosen überreicht wird; behält die Fassung, als auf der Bühne eine Stoffimitation des Berliner Fernsehturms landet. In schreiendem Gelb, nebenbei. Right Now I’m A-Roaming beschließt nach einem ausgedehnten Zugabenteil das Konzert. In dem augenzwinkernden Song erzählt ein Herumtreiber, angesichts der Haare und Bärte auf der Bühne ein Zigeuner wohl, was er so tut, wenn er denn nach Hause kommt. Die Hände von der Flasche lassen, die Mutter anrufen und dem Sohn Spielzeug kaufen. Wir müssen uns Nick Cave, Folksänger und Experimentalist, als glücklichen Menschen vorstellen.

(Foto: Drew Ryan)

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